SCHMIDT KUNSTAUKTIONEN DRESDEN AUKTION 75     25.03.2023

015   Christian Friedrich Gille "Große Eiche im Park". Um 1835.

Öl auf Malpappe, auf eine weitere Malpappe montiert. Unsigniert. Verso von fremder Hand künstlerbezeichnet. In einer goldfarbenen Stuckleiste gerahmt.
Das Gemälde wird in das WVZ Spitzer aufgenommen.

Mit einem schriftlichen Gutachten von Dr. Gerd Spitzer vom 31. Januar 2023.

Vgl. motivisch: "Bäume am Wiesenrand", um 1830/35, abgebildet in: Gerd Spitzer: Christian Friedrich Gille. 1805 – 1899. Malerische Entdeckung der Natur. Petersberg 2018. Tafel 2f.

"Baumstudien waren schon am Anfang des künstlerischen Schaffens von Christian Gille eines der zentralen Themen seines Werkes und sie blieben es bis in das Spätwerk des Künstlers hinein. Von den derzeit bekannten mehreren hundert Ölstudien Gilles ist immerhin rund ein Viertel diesem Gegenstand gewidmet und auch in seinem zeichnerischen Œuvre nehmen Baumstudien den zahlenmäßig größten Anteil ein. Begonnen hat Gille diese Studien im Großen Garten bei Dresden, und dorthin ist er im Laufe seines Lebens auch immer wieder zurückgekehrt.(…).
Der Große Garten, angelegt bereits im 17. Jahrhundert von den sächsischen Kurfürsten, im frühen 19. Jahrhundert noch immer vor den Toren der Stadt gelegen, bot anregende Naturerlebnisse vor allem in jenen Teilen, die nach dem neueren Geschmack als englischer Landschaftspark angelegt worden waren, aber durch partielle Vernachlässigung bereits wieder einen eher unberührten und teils sogar verwilderten Charakter annahmen. So konnte der Große Garten fast so etwas sein wie der Wald von Fontainebleau für die Maler von Barbizon: ein authentischer Erlebnisraum für die persönliche malerische Wahrnehmung der Natur. Der norwegische Landschaftsmaler Johan Christian Dahl hatte dieses Freiluftatelier schon in den frühen 1820er Jahren für sich entdeckt, und er hat wohl auch seine Schüler auf diesen Ort hingewiesen.
Für Gille setzte dort jener persönliche Erfahrungsprozess ein, der seiner malerischen Entwicklung über Jahrzehnte hinweg die Richtung gab, und bei seinen Ölstudien deren sukzessiv individuelle Ausprägung beförderte: Das Studium der Natur möglichst ohne Rückgriff auf vorgefertigte Sehmuster oder Abbildungsschemata und ganz aus der eigenen Anschauung entwickelt. In einer Vielzahl von vergleichbaren Studien aus dem Großen Garten, wie sie uns aus dem Frühwerk von Gille bekannt sind, kann man ablesen, wie sich der junge Künstler den verschiedenen Erscheinungsformen der Natur zuwandte und die unmittelbare Transformation von optischen Eindrücken in das Bild erprobte: Der Baum mit seinen bauschigen Laubmassen, die mit lockerem Pinsel aus der Farbe heraus entwickelt und in unterschiedlicher Dingschärfe ausgebildet sind, das Verfließen der Formen gegen die hintere Baumsilhouette zu und die Einordnung der genau beobachteten farblichen Erscheinung in einen Landschaftsraum. Das vorliegende Beispiel bezeichnet in diesem Zusammenhang einen neuen Akzent. Gille widmete sich immer wieder neuen malerischen Problemen, die ihn oft ungeachtet des eher zufälligen Gegenstandes beschäftigten, und hier ist es vor allem der Kontrast zwischen den hoch aufschießenden blühenden Gräsern im äußersten Bildvordergrund sowie der Wiese und den Bäumen in Mittel- und Hintergrund, die der Maler optisch miteinander vergleicht und deren unterschiedliche Erscheinungsform er mit dem Pinsel festhalten möchte. Wir können hier den Beginn des künstlerischen Ausprobierens von malerischen und grafischen Elementen verfolgen, wie Gille es in seinen Studien ein Künstlerleben lang immer wieder variieren und perfektionieren wird, bis er in den späten meisterhaften Werken wie "Schilf am Ufer", um 1870/80, oder "Dornenranken" von 1874, eine Vollkommenheit erreicht hat wie kaum ein anderer Künstler seiner Zeit, und zu einer ganz eigenen, tendenziell abstrakten Bildsprache findet.(…)."
(zitiert nach Dr. Gerd Spitzer, Bad Harzburg, Gutachten vom 31. Januar 2023).

Bildträger leicht verwölbt, mit einer diagonalen Knickspur im li.u. Eckbereich (ca. 13,5 cm), am u. und o. Rand mit einem Einriss, die o.li. und u.re. Ecke mit kleiner Bildträger-Fehlstelle. Randbereiche mit Ablösungen der originalen Malpappe von der aufkaschierten Pappe. Eine etwas größere farbabweichende Retusche im Baum re.Mi., im Bereich des Gebüschs re. und entlang der o. Baumlinie der Bäume li. Weitere punktuelle sowie teils lasierende, großflächigere Retuschen im Himmel. Dieser mit zum Teil sehr freinteiligem Krakelee und partiell etwas frühschwundrissig (werkimmanent). Winzige Malschicht-Fehlstellen in der Baumkrone o.Mi. sowie li.o. in der Wolke. Mehrere Reißzwecklöchlein in den Randbereichen (wohl aus dem Werkprozess).

27 x 21 cm, Ra. 45 x 38,5 cm.

Schätzpreis
6.000-7.000 €