420 Gerhard Altenbourg – Werke aus der Sammlung Prof. Dr. Werner Schmidt, Dresden
Gerhard Altenbourg 1926 Rödichen-Schnepfenthal – 1989 Meißen
Prof. Dr. Werner Schmidt 1930 Pirna – 2010 Dresden
Ich liebe die Struktur, das innere Gefüge der
Dinge, die Struktur als Zeichen, als Hieroglyphe:
den strukturierten Raumzeitbalken.
Gerhard Altenbourg, 1958
Gerhard Altenbourg gilt als einer der wichtigsten deutschen Künstler der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. In mehr als 40 Schaffensjahren entstand sein ca. 6000 Werke umfassendes Œuvre, davon 269 Holzschnitte, 217 Radierungen und 200 Lithografien.
Neben großen Beständen im Dresdner Kupferstich-Kabinett der
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Staatlichen Kunstsammlungen und dem Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin beherbergt das Lindenau-Museum Altenbourg die größte Sammlung an Werken Gerhard Altenbourgs. Gleichzeitig war es das erste Museum, welches im Jahre 1956 ein Werk des Künstlers ankaufte. Mit der Stiftung Gerhard Altenbourg, deren Vorsitz der Direktor bzw. die Direktorin des Lindenau-Museums Altenburg innehat, ist die Verwaltung des Nachlasses betraut.
Die Werke Altenbourgs fanden bereits früh Beachtung bei Museen und Sammlern in Ost- und Westdeutschland sowie international. Das Museum of Modern Art, New York erwarb 1961 eine Arbeit des Künstlers. Die Galerie Brusberg, Hannover, zeigte acht Jahre später schon eine erste Retrospektive.
Gerhard Altenbourg war ein unangepasster Künstler, er verweigerte sich der offiziellen Kunst- und Kulturpolitik der DDR konsequent. Das führte unweigerlich zu einer Behinderung seiner künstlerischen Arbeit durch den offiziellen Apparat. Er erhielt Ausstellungsverbote, erlitt Ausstellungsabbrüche mit zum Teil schwerwiegenden Folgen für Mitbeteiligte. So wurde der Künstler beispielsweise während der vielbeachteten Einzelausstellung im Schloß Hinterglauchau 1976 von SED-Funktionären angegriffen und lächerlich gemacht. In der Folge wurden Museumsmitarbeiter verhaftet oder versetzt, Lebenspläne zunichte gemacht.
Mit schwerem Gepäck ging Altenbourg seinen künstlerischen Weg jedoch vermeintlich unbeeindruckt. Neben Teilnahmen an der "documenta 2" und "documenta 6" hatte er zahlreiche Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen in Westdeutschland, erhielt ein Stipendium Akademie der Künste Berlin (West) und wurde deren Mitglied. Dies war für sein Leben in der DDR hochproblematisch. Dennoch hatte er Fürsprecher und Unterstützer in diesem System.
Zu jenen Förderern gehörte Werner Schmidt, welcher nach seinem Studium der Kunstgeschichte, Archäologie und Germanistik in Leipzig und Berlin zunächst als Assistent Ludwig Justis an der Ost-Berliner Nationalgalerie arbeitete, und 1959 nach Dresden an die Staatlichen Kunstsammlungen wechselte, wo er 30 Jahre als Direktor die Sammlung des Kupferstich-Kabinett betreute. In dieser Zeit gelang es ihm, zahlreiche Künstler, deren Kunst dem offiziellen Staatsapparat unbequem war, durch Ankäufe zu unterstützen – darunter neben Hermann Glöckner, Max Uhlig und Carlfriedrich Claus insbesondere auch Gerhard Altenbourg. Während der Amtszeit Schmidts als Kupferstich-Kabinett-Direktor wurden 202 Arbeiten auf Papier Altenbourgs, darunter 20 Zeichnungen, 18 Mappenwerke und Künstlerbücher sowie 202 Druckgrafiken in die Sammlung übernommen, wenngleich sich darunter auch zahlreiche Schenkungen des Künstlers befanden.
Wie das Beispiel Schloß Hinterglauchau zeigt, war es zwar schwierig bis ausgeschlossen, Einzelausstellungen zu organisieren. Ankäufe und kleine Ausstellungen im Kabinettformat waren jedoch möglich. Insbesondere durch geschicktes Agieren Werner Schmidts erhielten diese Künstler somit dennoch eine, wenngleich kleine öffentliche Bühne und existentielle Absicherung. Zu dieser Bühne zählten auch die von Werner Schmidt initiierten und geleiteten Auktionen im Dresdner Kupferstich-Kabinett, zu welchen private Sammler und Kunstliebhaber die Möglichkeit erhielten, Gegenwartskunst von DDR-Künstlern zu erwerben, auch solcher, die sich dem Dogma des Sozialistischen Realismus nicht unterwarfen.
Im Zuge kulturpolitischer Lockerungen konnte Werner Schmidt 1979 die erste große Einzelausstellung für Altenbourg veranstalten. In "Gerhard Altenbourg. Grafik und Zeichnungen aus drei Jahrzehnten" zeigte das Kupferstich-Kabinett 18 Originale, 31 Holzschnitte und 23 Lithografien. Erst zum 60. Geburtstag des Künstlers 1986 folgten dann weitere große Ausstellungen in Berlin und Leipzig.
Prof. Dr. Werner Schmidt leitete als Generaldirektor von 1990–97 die Geschicke der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Er erhielt für seine Verdienste um die Kunst zahlreiche Preise und Ehrungen.
"Das Vorgehen Altenbourgs ist in jeder Technik gleich. Wesentlich ist immer die erste Niederschrift, sie wirkt wie ein Signal, durch das ein Strömen von Vorstellungen aus dem Unterbewußten ausgelöst wird (E. Kästner: "James Joyce-Wende"). Mit seinen Werken eröffnet A. Einblicke in eine geistige Welt, deren Erschaffung der eigentliche Sinn seines Tuns ist. In ihr gehen Figur und Landschaft, äußere Gestalt und innere Bedeutung auseinander hervor. Bezeichnend ist das pflanzenhafte Aufwachsen der Figuren, die aus der Struktur der Landschaft hervortretenden Gesichter und die drusenförmigen Einschlüsse; eigenartig sind auch der bröckelnde Strich, die Flächen aus kleinsten Zeichen und die leuchtenden Farbgründe aus übereinandergelegten Lasuren. Sowohl in der geistigen Haltung wie auch in der Ausführung ist Altenbourg von eigener Prägung, er kann keiner Künstlergruppe oder Kunstrichtung zugeordnet werden."
(Annegret Janda zu Gerhard Altenbourgs Schaffen (Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler, Verlag E. A. Seemann, Leipzig, 1983–86).
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