049 Fritz Beckert, Dresden – Blick vom Coselpalais in die Töpferstraße. 1917.
Fritz Beckert 1877 Leipzig – 1962 Dresden
Oil on canvas. Signiert und datiert "Fritz Beckert 1917" u.re. Verso o.Mi. in Pinsel nummeriert "8/57". In einer bronze- und goldfarbenen Stuckleiste gerahmt.
Vgl. motivisch:
"Am Coselpalais", Aquarell über Zeichnung, abgebildet in: Erhard Frommhold: Unvergängliches Dresden – Aus dem Lebenswerk des Städtemalers Fritz Beckert. Dresden 1955. Abb. 11.
"Dresden – Blick vom Coselpalais", Aquarell, reproduziert in: Mappe Fritz Beckert "Dresden".
Seit etwa 1910 widmete
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sich Fritz Beckert dem Sujet der Vedutenmalerei – sowohl mit Dresdner Ansichten als auch anderer Städte (Vgl. "Dresden, die Salzgasse nach Westen", 1916, SKD, Kupferstich-Kabinett, InvNr. A 1995–2624; "Frauenkirche und Neumarkt", 1940, SKD, Kunstfonds, InvNr. 205/80; "Blick vom Schlossturm auf die Brühlsche Terrasse und das Neustädter Ufer", 1944, SKD, Albertinum, InvNr. 87/44). Er bezieht sich dabei unmittelbar auf das künstlerische Schaffen seines ehemaligen Lehrers Gotthardt Kuehl, mit dem er auch nach Abschluss seines Studiums noch in engem Kontakt stand. 1902 ehrten Fritz Beckert und acht Künstlerkollegen, zumeist ebenfalls ehemalige Schüler Kuehls, ihren Meister mit der Gründung der Gruppe "Die Elbier", die sich ursprünglich sogar "Kuehlianer" nennen wollte.
Gotthardt Kuehl schuf zahlreiche Darstellungen seiner Wahlheimat Dresden. Auffällig ist in seinen Werken häufig eine leicht erhöhte Perspektive, aus der er den Blick über die Stadt und ihre Architektur schweifen lässt, sowie das Einfangen besonderer Lichtstimmungen. 1879–89 hielt Kuehl sich in Paris auf und erhielt dort durch die Impressionisten neue Impulse. Es entstanden etwa Ansichten des Pariser Kais ("Pont Royal in Paris", 1. H. 1880er Jahre, Museum der Bildenden Künste, Leipzig, InvNr. 1194; "Pariser Kai", 1. H. 1880er Jahre, SKD, Albertinum, GalNr. 2321A), die das lebendige, momenthafte Treiben in der Stadt zeigen.
Die zu dieser Zeit heranreifende Technik der Fotografie regte auch in der bildenden Kunst den Verzicht auf Vollständigkeit an, wodurch ein neues Sehen entstand und vermehrt ausschnitt- und momenthafte "Aufnahmen" in den Fokus rückten. In Paris gehörte etwa der französische Impressionist Gustave Caillebotte zu den ersten Künstlern, die dies für sich entdeckten und weiterverbreiteten. Er schuf Pariser Straßenschluchten und Stadtlandschaften zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten (vgl. " Straße in Paris an einem regnerischen Tag ", 1877, The Art Institute of Chicago, InvNr. 1964.336; "Verschneite Dächer", 1878, Musée d'Orsay, InvNr. RF 876; "Rue Halévy, Blick aus der sechsten Etage", 1878, Museum Barberini, Potsdam, InvNr. MB-Cai-02). Gotthardt Kuehl hat diese Arbeiten in seiner Pariser Zeit mit großer Sicherheit gesehen. Zurück in Dresden, griff er immer wieder auf diese Gestaltungselemente zurück. Auch Adolph von Menzel, der Dresden oft besuchte, gilt hinsichtlich der Faszination und der daraus resultierenden, intensiven künstlerischen Auseinandersetzung mit der barocken Architektur der Stadt als Vorreiter Kuehls (Gerhard Gerkens und Horst Zimmermann (Hrsg.): Gotthardt Kuehl (1850–1915). Leipzig 1993, S. 77). (Vgl. "Blick auf die Frauenkirche zu Dresden", 1883, Museum der Bildenden Künste, Leipzig)
Der barocke, 91 Meter hohe Kuppelbau der Frauenkirche war den Vedutenmalern ein beliebtes Motiv. Bereits im Jahr 1900 gab Kuehl in seiner Kreidezeichnung "Am Coselpalais hinter der Frauenkirche" (Stadtmuseum Dresden, InvNr. 1978/K28) jenen Blick in Richtung Töpfergasse wieder, den Fritz Beckert 17 Jahre später malerisch umsetzt.
Aus etwas erhöhter Sicht zeigt Beckert die Ansicht durch die halbgeöffnete Toranlage des Ehrenhofs des Coselpalais". Vorbei an der auf Grund ihrer Größe nur angeschnittenen und damit monumental wirkenden Frauenkirche schaut man zur Töpferstraße, im Hintergrund ragt der Hausmannsturm des Residenzschlosses in den Winterhimmel. Wie in Kuehls Zeichnung nimmt allein der verhältnismäßig geringe Ausschnitt der Kirchenfassade etwa ein Drittel der Gesamtkomposition ein.
Beckerts Gemälde zeichnet sich vor allem durch das besondere, delikate Licht aus. Obwohl der Himmel von grauen Wolken bedeckt wird, findet die morgendliche Wintersonne dennoch ihren Weg und bestrahlt die Gebäude. Die sonnenabgewandten Seiten und lange Schatten lassen die hellen Gebäude im Mittelgrund und Hintergrund umso mehr leuchten. Die Spuren im Schnee, die Menschen und Kutschen erzählen vom täglichen Treiben an der Kirche.
Fritz Beckert reiht sich mit dem vorliegenden Hauptwerk eindrücklich in die lange Tradition der Vedutenmalerei ein und führt diese als Spätimpressionist fort. Aufgrund der zahlreichen Stadtansichten, die er in Form von Zeichnungen, Aquarellen und Gemälden bis 1945 schuf, gilt der Künstler als Urheber der "letzten und großartigsten künstlerischen Dokumentation des alten Dresden vor der Vernichtung" (zitiert nach: Hans Joachim Neidhardt: Dresden wie es Maler sahen. Leipzig 2005, S. 26).
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An den rückseitig umgeschlagenen Leinwand-Spannrändern mehrere Einrisse sowie kleine, gleichmäßig lange Risse (ca. 2 cm), wohl vom Vorgang des Aufspannungsprozesses. Malschicht an den Rändern minimal berieben, dort vereinzelt mit kleinen, fachgerechten Retuschen.
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150 x 90 cm, Ra. 165 x 105 cm.