117 Peter Graf "Die Speichellecker". 1965.
Peter Graf 1937 in Crimmitschau – lebt in Radebeul
Öl auf Hartfaser. Signiert u.re. "P. Graf" und ausführlich datiert "12.65". Verso mit einem Herstelleretikett des
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Bildträgers (verblichen). In einer Hohlkehl-Holzleiste mit weißen und goldbronzefarbenen Profilen gerahmt.
Anspielungsreich und doch zunächst im Unklaren bleibend, kommentiert Peter Graf die Szene der um die Gunst Buhlenden. Sie sind durch ihre Nacktheit in ihrer gesellschaftlichen Position nicht zuordenbar. Die monatsgenaue Datierung verweist wohl jedoch recht klar auf das 11. Plenum des ZK der SED, welches vom 16.-18. Dezember 1965 stattfand. Auf dieser Tagung, auch als "Kahlschlag-Plenum" bekannt, wurde den Künstlern der DDR, wortführend durch Erich Honecker, u.a. "Nihilismus", "Skeptiismus" und "Pornografie" vorgeworfen, Walter Ulbricht war davon überzeugt, dass sie die DDR-Jugend verhetzten. In der Folge verbot die SED-Führung Bücher, Filme, Musik- und Theaterstücke. Eine öffentliche Debatte zu den radikalen Beschlüssen des ZK der SED war nicht erwünscht. Jochen Mückenberger, Generaldirektor der DEFA, von dessen 14 Produktionen 12 verboten wurden, kommentierte: "(…) Die Stimmung uns gegenüber war feindlich, als ob wir nicht dazugehörten. (…) Die Meinungsäußerung war einhellig, mit einer einzigen Ausnahme: Christa Wolf versuchte mutig, den Anspruch der Kunst auf Wahrhaftigkeit zu verteidigen. Sie hat mir sehr imponiert.".(zitiert aus: Spur der Filme: Zeitzeugen über die DEFA. Bonn, 2006. S. 200.)
Peter Graf stellt Walter Ulbricht als zufrieden grinsenden Affen dar, welcher mit dem scharfen und lauten Ton der Schalmei die Neuerungen in der Kulturlandschaft der DDR verkündet, feiste Günstlinge freuen sich über die Botschaft, sitzen bzw. treten dabei auf andere, die verzweifelt sind. Einer der Günstlinge hält ein marionettenhaftes Gerippe – Sinnbild für die Zukunft der Kunstschaffenden.
Peter Graf war als Künstler im politischen System der DDR unbequem: "Ich hatte eine Vorstellung von der Gesellschaft und wußte, dass die DDR nicht das war, was ich mir wünschte. Aber hier habe ich gelebt und hatte die Hoffnung, daß man die Zustände verändern kann. Dazu habe ich gestanden, zu meiner Meinung, allein das wurde als Provokation verstanden".
Ein reichliches halbes Jahr vor Entstehen der "Speichellecker" stellte Graf gemeinsam mit Ralf Winkler und Peter Herrmann im Dresdner Puschkinhaus aus. Die gezeigten Werke irritierten die Partei so sehr, dass die Künstler ihre Ausstellung wieder abbauten. Sein dreimaliges Ersuchen, in den Dresdner Verband bildender Künstler aufgenommen zu werden, scheiterte. Erst Anfang 1975 wurde er schließlich Mitglied im Karl-Marx-Städter Verband. In der 1976 gezeigten Ausstellung "200 Jahre Malerei in Dresden" in der Galerie Neue Meister, Dresden, degradierte man Peter Grafs Kunst durch eine fragwürdige Hängung. Die 1982 im Leonhardi-Museum initiierte Ausstellung "Frühstück im Freien" konnte erst ungestört beginnen, nachdem Peter Graf der Aufforderung Folge geleistet hatte, sein politisch zu direktes Gemälde "Alles zum Wohle des Volkes" durch ein vermeintlich unverfängliches auszutauschen.
Lit.: Leonhardi-Museum Dresden (Hrsg.): Peter Graf. Malerei, Grafik. Dresden, 2000. S. 80ff.
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Bildträger in der o.re. Ecke mit einer materialimmanenten Unebenheit mit kleinen Malschicht-Fehlstellen sowie ein unscheinbarer, schräg verlaufender Grat, wohl in der Grundierung (materialimmanent) Mi.li. Vereinzelte faserige Materialanhaftungen auf der Oberfläche sowie kleine Kratzer und winzige Fehlstellen. Rahmen mit kleinen Läsionen.
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93 x 79 cm, Ra. 103,5 x 89,5 cm.