010 Carl Gustav Carus "Abenddämmerung. Zu Goethes Faust". 1837.
Carl Gustav Carus 1789 Leipzig – 1869 Dresden
Johann Wolfgang von Goethe 1749 Frankfurt am Main – 1832 Weimar
Johann Gottlob Regis 1791 Leipzig – 1854 Breslau
Öl auf Leinwand. U.re. im Bereich der Steinplatte in Schwarz schwach lesbar signiert und datiert "CARVS 1837". Verso
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auf dem Keilrahmen von fremder Hand in Blei bezeichnet "Leuboldt".
Im originalen, profilierten, über Schlagmetall und Silberauflage goldlackierten Rahmen.
WVZ Prause 99, dort ohne Maßangaben und mit der Datierung "1836/37".
Provenienz: Thüringischer Privatbesitz, Nachlass Hildegard Junkelmann (1926 Naumburg–2021 Weimar), wohl Nachlass Karl Gustav Nicolai (1860 Jena–1938 Weimar), Direktor der Grossherzoglichen Landeskreditkasse Weimar.
Ausgestellt in: Jahresausstellung der Königlich Sächsischen Akademie der Künste, 1837, KatNr 144, dort bezeichnet "Eigene Komposition, Öl".
Eine Bestätigung nach KGSG zur Möglichkeit der Ausfuhr des Gemäldes liegt vor.
"[…] doch ist mir neulich […] ein Faust erschienen […] welche[n] ... ich angelegt habe " schrieb Carl Gustav Carus im November 1836 an Johann Gottlob Regis zu seinem Gemälde, das bereits im Juli des Jahres 1837 in der Jahresausstellung der Königlich Sächsischen Akademie der Künste zu Dresden als "Abenddämmerung. Zu Goethes Faust" ausgestellt wurde.
Mit der Entdeckung eines dritten wichtigen Carus-Gemäldes zum Faust-Thema, welches bisher in Abbildung und Maßen unbekannt war, vervollständigt sich das bisherige Verständnis zu Carl Gustav Carus' Rezeption der Goethe'schen Tragödie.
Nachdem 1816 die "Umrisse zu Faust" von Moritz Retzsch in Dresden begeistert aufgenommen wurden, verarbeitete Carus 1821 das zentrale Motiv der Faust-Tragödie erstmals in dem Gemälde "Osterspaziergang". Etwa zur selben Zeit entstand das Gemälde "Faust im Gebirge".
Die nachdrückliche Wirkung der Uraufführung des "Faust" 1829 in Dresden hielt Carus in seinen Lebenserinnerungen fest. 1835 publizierte er eine essayistisch angelegte persönliche Auseinandersetzung mit beiden Faust-Teilen in Form von "Briefe[n] über Göthe's Faust" an Johann Gottlob Regis.
Noch zwischen 1852 und 1860 – Carus konzentrierte sich inzwischen auf eine zeichnerische Umsetzung seiner Bildideen – widmete er dem Faust-Stoff eine Folge sechs großformatiger Kohlezeichnungen (Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Inv.-Nr. C 1963–14 – C 1963–40).
Das wiederentdeckte Gemälde ist ein besonders markantes malerisches Zeugnis der wiederholten Auseinandersetzungen von Carl Gustav Carus mit Goethes Tragödie.
Der kunsthistorische Glücksfall der brieflichen Dokumentation der ersten Werkphase des Gemäldes durch Carus, seiner sehr detailreich ausgeführten zeichnerischen Anlage des Motives, verbindet sich mit einem ungewöhnlich gut lesbaren Infrarot-Befund, der auch diese zweite Werkebene eindrucksvoll erlebbar werden lässt.
Abb.: Infrarotreflektografie, HfBK Dresden. 2023.
"Abenddämmerung. Zu Goethes Faust". 1837.
Ein neu entdecktes Gemälde von Carl Gustav Carus
Es geschieht selten, dass ein Gemälde von der Hand eines bekannten Künstlers fast zweihundert Jahre lang dem Blick der Öffentlichkeit verborgen bleibt, bevor es am Ort seiner einstigen Entstehung und ersten Ausstellung wieder präsentiert werden kann. Das 1837 datierte Gemälde "Abenddämmerung. Zu Goethes Faust" ist ein solcher Fall. Mit größter Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei diesem Bild um das Werk gleichen Titels, das der "Hofrath Dr. Carus" bei der Dresdener Akademie-Ausstellung des Jahres 1837 dem Publikum vorgestellt hatte, und das unter Nr. 144 des Ausstellungskataloges als "Oelgemälde eigner Composition" verzeichnet ist. Der Verbleib des Werkes war aber seit dieser Präsentation unbekannt. Die Autorin des Œuvre-Verzeichnisses für Carus, Marianne Prause, hat das Bild 1968 lediglich mit dem Hinweis auf die Ausstellung von 1837 katalogisieren können. Sie brachte es mit der Erwähnung in einem Brief von Carus an Johann Gottlob Regis in Zusammenhang, in dem der vielbeschäftigte Dresdener Hofrat dem Freund in Breslau berichtete, er käme nur noch wenig zum Malen, doch sei ihm kürzlich "ein Faust erschienen", den er neben einem zweiten Werk "angelegt", also vermutlich bereits auf der Leinwand entworfen hatte. Der Brief wurde am 27. November 1836 geschrieben, die Datierung des fertiggestellten Werkes in das Jahr 1837 geht also damit gut überein.
Carl Gustav Carus hatte sich um jene Zeit wieder eingehender mit der Faust-Thematik befasst, wie aus dem bereits zitierten Brief an Regis hervorgeht, in dem es unter anderem heißt: "Man regt mich immer noch zuweilen zur Fortsetzung meiner Faustbriefe an. – Was wären wohl, Ihrer Meinung nach, die wichtigsten Fragen im Faust, welche ich darin zu beantworten hätte?" Außerdem berichtete Carus dem Freund im selben Brief vom November 1836: "Retzschs Umrisse zum zweiten Theil des Faust liegen vor mir! – die letzten Blätter [...] sind schön." Bereits 1816 hatte Moritz Retzsch eine Folge von Illustrationen zum "Faust" veröffentlicht, denen 1836 eine vermehrte Ausgabe mit weiteren Umrissen zum zweiten Teil des Stückes folgte. Die durch Carus erwähnten "Briefe über Göthe’s Faust" sind 1835 gedruckt herausgegeben worden, nachdem 1833 der zweite Teil des Faust erschienen war. Der vielseitig tätige Gelehrte Carus hatte in dieser Schrift seine weitgreifenden Überlegungen zur Faust-Gestalt in Form von Briefen an Regis publiziert. Dass er dabei auch eigene Gedanken und Schlussfolgerungen über die Intentionen der Vorlage hinaus vortrug, war dem Autor durchaus bewusst. Auf den kritischen Einwand von Zeitgenossen: "der Faust, von welchem in jenen Briefen die Rede war, sei vielleicht mehr "der von mir Gedachte" als der Goethesche selbst", entgegnete er mit dem ihm eigenen Selbstbewusstsein: "Niemand kann am Ende aus seiner Individualität heraus" (Lebenserinnerungen Carus, Bd. 2, S. 395).
Der Faust-Stoff hat den universal interessierten Carl Gustav Carus ein Leben lang beschäftigt. Noch in den späten Kohlezeichnungen des Künstlers, die nach 1851 entstanden sind, greift er ihn in mehreren Blättern erneut auf. Darunter befindet sich auch eine Bildvariante zum Spaziergang von Faust und Wagner "Vor dem Tor", bei der in szenisch akzentuierter Weise der umherspringende schwarze Pudel einen Hinweis auf den unheilvollen Fortgang der Handlung gibt (Kupferstich-Kabinett Dresden). Anfang der 1820–er Jahre schon hatte Carus einen "Faust im Gebirge" gemalt, dessen Monolog im dunklen Felsengrund erkennbar auf eine Innenschau der stark subjektivierten Gedankenwelt konzentriert ist (Albertinum Dresden, Galerie Neue Meister). Vor allem aber hatte Carl Gustav Carus bereits bei der Dresdener Akademie-Ausstellung 1821 eine frühere Fassung des hier in Rede stehenden Gemäldes präsentiert, die unter Nr. 171 des gedruckten Kataloges verzeichnet war als "Scene aus Faust v. Göthe: – Faust und Wagner, Abends nach der Stadt zurückkehrend. – Oelgemälde, eigne Erfindung vom D. Carus" (heute im Folkwang Museum Essen). Der später gebräuchliche Titel "Osterspaziergang" ist insofern etwas irritierend, als es sich eben nicht um eine Illustration der bekannten Verse "Vom Eise befreit sind Strom und Bäche" handelt, die mit des "Frühlings holden, belebenden Blick" und dem "bunten Gewimmel" der Osterspaziergänger zum allgemeinen Bildungs- wie auch Bildgut geworden sind. Dargestellt ist vielmehr in der Bildszene die Heimkehr des Gelehrten und seines Schülers am Abend des Ostertages, die in Goethes Stück zeitlich gesehen nur knapp mit den Worten eingeordnet wird: "Was stehst du so und blickst erstaunt hinaus? Was kann dich in der Dämmrung so ergreifen?" Und diese Erscheinung in der Dämmerung ist der schwarze Pudel, der dann immer engere Kreise um die beiden Protagonisten zieht und dessen "feurige Augen" im weiteren Verlauf der Handlung Erklärung finden, als sich – sprichwörtlich geworden wie manches andere Goethe-Zitat – des "Pudels Kern" entpuppt. Merkwürdig scheint es allerdings, dass Carus später selbst einmal über die Bildszene geäußert hat, sie stelle "den Abendspaziergang Faust"s am Ostervorabende dar" (Carus, Göthe. Zu dessen näherem Verständniß; Leipzig 1843, S. 16).
Carus hat sein im Frühjahr 1821 fertiggestelltes Gemälde im Februar des darauffolgenden Jahres 1822 an Johann Wolfgang von Goethe gesandt, dem er im Juli 1821 in Weimar persönlich begegnet war und mit dem er seit 1818 nicht nur in wissenschaftlichem Austausch stand, der sich in angeregter brieflicher Korrespondenz entfaltete, sondern dem er zu Beginn der 1820–er Jahre auch wiederholt Gemälde aus der eigenen Künstlerwerkstatt zur Ansicht und Beurteilung nach Weimar sandte. Der Gegenstand des Faust-Gemäldes hat den Weimarer Dichterheroen besonders interessieren müssen, doch die kurze Rezension, die 1823 in Goethes Zeitschrift "Über Kunst und Altertum" erschien, ging auf die literarische Vorlage nicht näher ein, sondern beschränkte sich auf lobende Worte für das künstlerische Vermögen des Dresdener Universalgelehrten, der doch als Maler nur im Nebenberuf tätig war: "Dämmerung darzustellen ist allemal eine der schwersten Aufgaben für die Landschaftsmaler, umso mehr ist zu verwundern, wie es einem zwar hochbegabten, doch der Kunst nicht einzig und ausschließlich obliegenden Manne so befriedigend gelingen konnte. Das Ganze tut eine sanfte, angenehme Wirkung; die Farbentöne der verschiedenen Gründe sind warm harmonisch, der Natur nachgebildet; […]" (zit. nach Prause 1968, S. 110). Tatsächlich hatte Carus in der ersten Bildfassung jenes Spazierganges von Faust und Wagner vor der Stadt namentlich der malerischen Darstellung des hohen Abendhimmels, über dem eine schmale Mondsichel steht, noch eine deutlich andere Bedeutung zugeordnet als in der späteren Variante, indem sich durch die atmosphärisch zarten Übergänge eines sanft verklingenden Abendlichtes die Bildwirkung mehr zum Meditativen hin neigte.
Das Gemälde von 1821 verblieb nach seiner Rückkehr aus Weimar zunächst im Hause Carus, bis es ein Jahrzehnt später von der verwitweten Königin Karoline von Bayern erworben wurde, die 1831 in Begleitung ihrer Tochter Marie, nachmals Gattin des sächsischen Königs Friedrich August II., sowie des Prinzen Johann von Sachsen, der als kunstverständiger und beratender Vermittler auftrat, den vielseits bekannten Gelehrten und Leibarzt der königlichen Familie in seinem Maleratelier aufsuchte. Ein derartiger Bilderverkauf musste für Carus überaus ehrenvoll sein, umso mehr, als er sich in den Lebenserinnerungen bei der Schilderung desselben Ereignisses beklagte, dass in späteren Jahren, als er "so viel gehaltvollere und tüchtiger durchgeführte Bilder vollendete, im Publikum niemand sich mehr ihrer ernstlich anzunehmen pflegte" (Lebenserinnerungen, Bd. 1, S. 328). Gerade solche poetisch-literarischen, geistvoll erdachten Bildschöpfungen gehörten auch zur Ausstattung des Hauses von Carl Gustav Carus. Sie konnten dort von Besuchern gesehen und bei dieser Gelegenheit ausführlich gewürdigt werden. Über sein Ölgemälde "Zum Gedächtnis Goethes" etwa, das Carus 1832 nach dem Tode des Dichterfreundes gemalt hatte, bemerkte er später bei Niederschrift seiner Erinnerungen: Das Bild "ziert noch, indem ich dieses schreibe, unsere Zimmer. Eine eigene Begeisterung wehte in dem Ganzen, und es verfehlte nicht seinen Eindruck auf viele, die es betrachteten" (Lebenserinnerungen, Bd. 2, S. 342).
Auch die vorliegende zweite Variante der "Faust und Wagner"-Darstellung ist offenbar nicht im Auftrag eines Bestellers oder aber auf Wunsch eines Freundes entstanden, sonst hätte Carus das in der Korrespondenz mit Regis sicherlich erwähnt. Vielmehr war offenbar die anhaltende gedankliche Auseinandersetzung mit dem Stoff Ansatzpunkt für eine erneute bildliche Formulierung, zumal die erste Fassung dieses "Osterspazierganges" seit Jahren nicht mehr im Hause war. Ähnliche Variationen eines Motivs, ausgeführt in größerem zeitlichem Abstand, sind nicht ungewöhnlich im Werk des Malers Carus. Von einer Darstellung mit den Rückenfiguren Raffaels und Michelangelos vor der Silhouette Roms, gemalt 1831, und dem "Faust und Wagner"-Bild in manchem als eine Art Gegenstück vergleichbar, hat Carus 1839 eine veränderte Variante ausgeführt. Beide Werke befinden sich heute im Deutschen Romantik-Museum Frankfurt am Main, wohin sie allerdings erst im Verlaufe des 20. Jahrhunderts aus unterschiedlichem Privatbesitz gelangt sind. Solche Bilder haben sich nach ihrer Vollendung vermutlich zunächst über längere oder kürzere Zeit in jenem "Cabinett" befunden, "wo alle meine älteren Bilder zusammen gehangen worden sind", wie Carus 1834 in einem Brief an Regis über die neu bezogene "Villa Cara" in der Dresdener Borngasse berichtete. Die zweite Fassung des "Raffael und Michelangelo"-Bildes etwa befand sich noch bis ins frühe 20. Jahrhundert im Besitz der Familie des 1869 verstorbenen Künstlers, bevor sie in den Kunsthandel gelangte.
In seinem Faust-Gemälde von 1837 hat Carus, der Vorlage eines Theaterstückes darin folgend, den Auftritt der Bildfiguren entschiedener in einen bühnenartigen Raum eingeordnet, als das bei der weitläufigen Landschaftsumgebung der ersten Fassung der Fall war. Der Bildaufbau in horizontal gestaffelten Zonen und namentlich die beiden Rückenfiguren, die von der verschatteten Vordergrundbühne aus den szenisch gebildeten Landschaftsraum mit der Stadtkulisse hinter Feldern sowie dem hochgezogenen Himmel über fernen Bergen überschauen können, lassen die Anregung durch die eigentümlichen Bildschöpfungen des berühmten Dresdener Malerkollegen Caspar David Friedrich wohl erkennen. Carus ist mit Friedrich zeitweise eng befreundet gewesen und auch nach persönlicher Entfremdung in den späten 1820–er Jahren hat ihn dessen Kunst weiter stark beeindruckt. Ein Vergleich mit Gemälden von Friedrich wie "Hügel und Bruchacker bei Dresden" (1824/25) und "Der Abendstern" (um 1830) lässt aber zugleich den Abstand deutlich werden. Dort wo Friedrich gleichsam durch optisches Überspringen des Mittelgrundes und die nur in ihren Turmspitzen zu ahnende Stadt eine Distanz zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem schafft, so dass für den Betrachter eine Spannung zwischen Diesseitigem und Jenseitigem entsteht, über die sich Transzendentes vermitteln kann, breitet sich bei Carus das ausführlich beschriebene Erscheinungsbild der ummauerten Stadt vor den Augen des Betrachters und der beiden Rückenfiguren aus. In der Bildkonstruktion von Carus ist das Schwergewicht an Gedankengehalt ganz auf die beiden Rückenfiguren gelegt. Dass Faust und Wagner im Angesicht der Stadt und der Welt nicht nur stiller Betrachtung hingegeben sind, sondern der Gelehrte und sein Famulus miteinander in lebhaftem Diskurs stehen, wird durch eine gestikulierende Hand hier und eine Kopfwendung dort augenscheinlich. Und dass Tiefgründigeres erörtert wird, als die abendliche Stadtsilhouette mit ihren Kirchtürmen und traulich rauchenden Schornsteinen den Anschein gibt, lässt sich auch durch den erratischen Felsblock rechts im verdunkelten Vordergrund erkennen, in den, wie die Unterzeichnung zeigt, das Kreuz christlichen Glaubens eingemeißelt ist, und der somit an ein Sühnekreuz erinnert. Im Einzelnen wissen wir nicht, was die beiden Osterspaziergänger erörtern. Doch anders als bei Friedrichs singulärer Bilderfindung "Zwei Männer in Betrachtung des Mondes" (1819/20) ist durch die literarische Vorgabe mindestens ein bestimmter inhaltlicher Rahmen gezeichnet, die bildlich inszenierte Anschauung ist also nicht vergleichbar mit Friedrich, bei dem die kontemplative Betrachtung der Natur zur meditativen Innenschau wird. Das Kompositionsprinzip des Bildes hatte Carus bereits um 1822 in seinem kleinen Gemälde "Blick auf Dresden bei Sonnenuntergang" (Kunstsammlungen Chemnitz) erprobt, wo er die reale Silhouette des barocken Dresden verfremdete und durch gotisierende Überformung mittelalterlich interpretierte.
Wie bei der ersten Fassung des Motivs hat der Maler Carl Gustav Carus der Gestaltung des Himmels besondere Aufmerksamkeit gewidmet, der in der Höhe etwas mehr als die Hälfte der Bilddarstellung einnimmt. 1821 war es ein Abendhimmel mit Mondsichel, der in harmonisch leichten Farbübergängen und mit zarten Wolkenschleiern jenen Eindruck des Transzendenten hervorrief, den die Dresdener Malerei der Romantik der Zeit so oft vermittelte. Bei der erwähnten Besprechung des Bildes von Carus hatte es 1823 geheißen: "die Luft verdient vorzüglich großes Lob, indem der rothe Dunst der Berge sehr schön und angenehm in den goldnen Schein, den die schon verschwundene Sonne am Horizont verbreitet, und dieser wieder allmählich im Himmelsblau stirbt" (zit. nach Prause 1968, S. 110). Bei der Fassung von 1837 ist der Himmel über der Stadt von unruhigen Wolkenbildungen überzogen, die sich in fliegende Fetzen aufzulösen scheinen. Über dem Horizont nimmt der Himmel eine so intensive rote Färbung an, dass man das als ein Signal für drohendes Unheil ansehen könnte, das noch ganz in der Ferne aufscheint. Für solche Himmelsdarstellungen war das malerische Interesse für atmosphärische Erscheinungen immer eine Voraussetzung. In der späten Bildvariante werden die dabei empfangenen Sinneseindrücke jedoch allem Anschein nach mit dem Bestreben eingesetzt, eine deutlich dramatischere Wirkung in der Bilderzählung zu erreichen.
Die Dresdener Malerei der Zeit war dabei, neue Wege zu erproben. Und wenn wir davon ausgehen, dass Carus dieses Gemälde Ende 1836 "angelegt", und im nachfolgenden Jahr 1837 ausgeführt hat, so fällt das genau in jene Zeitspanne, da für die Malerei in Dresden ein außerordentlich wichtiges Ereignis stattfand: Die Ausstellung von Werken der seinerzeit schon berühmten Düsseldorfer Malerschule an der Jahreswende von 1836 zu 1837. Carus ist als Vorsitzender des Sächsischen Kunstvereins am Zustandekommen dieser Präsentation im Palais auf der Brühlschen Terrasse wesentlich beteiligt gewesen, und er selbst hat in einem großen Aufsatz den wünschenswerten Einfluss der Düsseldorfer Vor-Bilder auf die Dresdener Malerei dargelegt. Für die Landschaftsmalerei bestand das Ziel kurz gefasst in einer erhöhten Sensitivität und der Bedeutungssteigerung der Bilder durch Dramatisierung und Inszenierung sowie einer nachdrücklichen Betonung von handelnden Bildfiguren. Eben dies lässt sich auch in dem 1837 entstandenen Gemälde von Carl Gustav Carus verfolgen.
Dr. Gerd Spitzer
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Originale Aufspannung. Leinwand leicht wellig, kleiner Einriss am unteren Bildrand. Drei kleine Löchlein an den Spannrändern.
Malschicht frühschwundrissig und mit leichter Klimakante. In den hellen Brauntönen der Bildmitte partiell leicht berieben. Teile eines frühen Firnis am unteren Bildrand und im Bereich der Signatur erhalten. Der vorhandene Firnis partiell matt. Zentral eine oberflächliche Kratzspur.
Die dunklen Bildpartien alterungsbedingt verbräunt.
Der Rahmen mit Fehlstellen an den Konstruktionsfugen.
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50,2 x 40,4 cm, Ra. 57,3 x 47,4 cm.