344 Hildegard Seemann-Wechler, Sitzender Knabe als Akt. Um 1929.
Hildegard Seemann-Wechler 1903 Dresden – 1940 Pirna-Sonnenstein
Aquarell, Deckfarben und Farbstift über Bleistiftzeichnung auf gelblichem, strukturierten Papier. In Blei
...
monogrammiert "WH" innerhalb der Darstellung u.li. Verso in Blei u.re. von fremder Hand künstlerzeichnet. In einem goldfarbenen gekehlten Profilrahmen hinter Glas.
Zur Datierung sowie zum Motiv vgl. das Gemälde "Knabenbildnis", um 1930 (verschollen), abgebildet in: Boris Böhm: Den Opfern ihren Namen geben. Hildegard Seemann-Welcher (1903–1940). Biographisches Porträt eines sächsischen Opfers der NS-Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein. Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Gedenkstätte Pirna Sonnenstein (Hrsg.). Dresden 2018. S. 6.
Eine weitere Arbeit der Künstlerin "Jungenbildnis" wurde ausgestellt in: Kunstausstellung Sächsische Künstler: 28. März – 30. Juni 1946, des Kulturbundes zur demokrat. Erneuerung Deutschlands, im Auftr. der Landesverwaltung des Bundeslandes Sachsen, Sonderschau "Opfer des Faschismus". Dresden, Brühlsche Terrasse, Staatliche Kunstakademie. Dresden, 1946. KatNr. 41
Für eine künstlerische Entfaltung blieb Hildegard Seemann-Wechler nach Abschluss ihres Studiums 1928 bis zum Ausbruch ihre psychischen Krankheit im Sommer 1931 nur wenig Zeit. Eva Schulze-Knabe, welche seit 1928 an der Dresdner Kunstakademie studierte und mit Hildegard Seemann-Wechler freundschaftlich verbunden war, zeigte sich von einem in der Akademie ausgestellten Selbstakt Seemann-Wechlers sehr beeindruckt.
Zu den wenigen, überkommenen Werken der aus bürgerlichen Verhältnissen stammenden Künstlerin, die in tragischer Weise das gleiche Schicksal wie Elfriede Lohse-Wächtler und Gertrud Fleck teilte, zählt das eindringlich-berührende Bildnis des "Sitzenden Knaben als Akt". Der schmale, nahezu schwindsüchtig anmutende Junge mit blassem Inkarnat und übergroßen, verschatteten Augen, betont durch das kurz geschorene Haar, sitzt in einem kargen Raum. Die sparsame Möblierung deutet auf ärmliche Verhältnisse hin. Die zerbrechliche Zartheit des Kindes wird durch die tonig-zurückhaltende, subtile, lasierend aufgetragende Farbigkeit verstärkt.
Im Gegensatz zum schonungslos entlarfenden Verismus von Otto Dix zeigt die Künstlerin hier eine Wirklichkeit, die weder beschönigt, noch verzerrt oder karikiert. Damit steht sie stilistisch zahlreichen anderen Vertretern neusachlicher Malerei in Dresden dieser Zeit sehr nahe. Die Erhebung eines (Proletarier-) Kindes zum singulären Bildmotiv im Sinne eines Renaissance-Humanismus (Dalbajewa, Neue Sachlichkeit in Dresden, S. 260) findet man u.a. auch in Gemälden von Rudolf Bergander "Mädchen im blauen Kleid (Schwindsüchtige)", 1931, Wilhelm Lachnit "Mädchenakt (Nacktes Mädchen auf rotem Stuhl), 1924/25, oder Eva Schulze-Knabe "Junge im gelben Pullover", ca. 1931.
Lit.:
Dalbajewa, Birgit (Hrsg.): Neue Sachlichkeit in Dresden. Dresden, 2011.
Kultur- und Tourismusgesellschaft Pirna mbH (Hrsg.): Eva Schulze-Knabe 1907–1976. Malerei und Grafik. Dresden, 2007.
Boris Böhm: Den Opfern ihren Namen geben. Hildegard Seemann-Welcher (1903–1940). Biographisches Porträt eines sächsischen Opfers der NS-Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein. Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Gedenkstätte Pirna Sonnenstein (Hrsg.). Dresden 2018.
> Mehr lesen
Technikbedingt leicht wellig. Minimal knickspurig mit wenigen Griffknicken, recto nicht wahrnehmbar. Kleine Bereiche mit oxidiertem Bleiweiß im Bereich der Jacke. Partiell unscheinbare Stockfleckchen im Bereich des Oberkörpers und der Oberschenkel. Der re. Blattrand montierungsbedingt mit unscheinbaren Klebespuren, zwei Bereiche mit Abrieb (max. ca. 1 x 2,8 cm). Verso vereinzelt leichte Stockfleckchen, am äußersten re. Rand leichte Klebespuren einer älteren Montierung. Rahmen minimal kratzspurig sowie mit unauffälligen, kleinen Fehlstellen entlang des Randes.
< Weniger lesen
45,8 x 30,5 cm. Ra. 61 x 47,9 cm.