119 Bernhard Heisig "Menschen am Fenster". 1993.
Bernhard Heisig 1925 Breslau – 2011 Strodehne
Öl auf Leinwand. Signiert "Heisig" u.li. In einer schwarz gefassten Schattenfugenleiste gerahmt.
Ausgestellt
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in:
Bernhard Heisig: Zeiten zu leben, Malerei. 15. Januar – 27. März 1994 Herforder Kunstverein, Daniel- Pöppelmann-Haus Herford. 16. Oktober – 27. November 1994 Hans-Thoma-Gesellschaft – Kunstverein Reutlingen und Städtisches Kunstmuseum Spendhaus, Reutlingen, Frühjahr 1995, Galerie Berlin, Berlin.
Kein Krieg – fast nirgends. Brandenburgisches Landesmuseum für moderne Kunst (Dieselkraftwerk Cottbus). 01 / 2016.
Provenienz: Ostdeutscher Privatbesitz, Galerie Michel Hebecker, Weimar.
Das vorliegende Werk "Menschen am Fenster" ist Teil eines sechsteiligen Polyptychons "Zeiten zu leben". Bernhard Heisig malte es auf eine Leinwand, welche aus dem Atelier Max Beckmanns stammt. Beckmanns Sohn, Peter Beckmann, mit welchem Heisig in langjähriger Freundschaft verbunden war, übereignete ihm mehrere ungenutzte Leinwände seines Vaters, für Heisig außer dem materiellen Erbe vor allem auch eine geistige Hinterlassenschaft mit Aufforderungscharakter, zumal er sich nach eigenem Bekenntnis in seiner künstlerischen Auffassung Max Beckmann sehr verbunden fühlte.
Die in additiver Kompositionsweise angeordneten Bildfelder des Polyptychons beziehen sich thematisch aufeinander, bilden jedoch auch jedes für sich eine abgeschlossene Einheit.
Im vorliegenden Gemälde ist ausschnitthaft die Ansicht einer Hausfassade zwischen zwei Stockwerken wiedergegeben. Aus den geöffneten Fenstern lehnen sich Menschen und blicken hinaus. Links im Bild steigen zwei Luftballons auf, ein leuchtend roter und ein kleinerer weißer, rechts schwebt – etwas rätselhaft – ein blaues Segelschiff an den Fenstern vorüber.
Losgelöst vom Kontext des Polyptychons lässt sich die Darstellung auch als Abwandlung und Weiterentwicklung des 1989 durch die politische Wende inspirierten Motivs des "Fensteröffners" verstehen. Es fügt sich thematisch in den zeitgenössischen Kontext der Revolution von 1989 und des Zusammenbruchs der DDR. Vermutlich von der Rede des Schriftstellers Stefan Heym auf der Großdemonstration auf dem Berliner Alexanderplatz am 4. November 1989 inspiriert, malte Heisig im selben Jahr das Gemälde "Fensteröffner". "Es ist, als habe einer die Fenster aufgestoßen! Nach all den Jahren der Stagnation – der geistigen, politischen, wirtschaftlichen, den Jahren von Dumpfheit und Mief!" hatte Heym damals den Demonstranten zugerufen. Die kleinformatigen Gemälde "Zwei Menschen am Fenster" von 1990 zeigen je eine einzelne Person am Fenster und reflektieren dabei verschiedene Stimmungen (Helmert-Corvey Nr. 44 und 45, Abb. S. 62 und 63). Im vorliegenden Bild sowie in den Varianten von "Menschen am Fenster und ein blaues Schiff" (Helmert-Corvey Nr. 46 und 47, Abb. S. 64 und 65) ist hingegen eine Vielzahl von Menschen dargestellt, die sich in Gruppen an mehreren Fenstern drängen. Die vom Künstler in ähnlicher Farbigkeit mehrmalige Kompositionserprobung mit der Ansicht auf eine Hausfassade mit den in ekstatischer Emotionalität agierenden Menschen angesichts der schwebenden Objekte, zeugt von der intensiven künstlerischen Durcharbeitung des Themas und ist charakteristisch für den Malprozess bei Heisig.
Lit.: Eberhard Roters: Der Maler und sein Thema. In: Theodor Helmert-Corvey (Hrsg.): Bernhard Heisig: Zeiten zu leben, Malerei. Bielefeld 1994. S. 17–27. Abb. S. 26. Nr. 12 b.
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Die u. Ecken des Malträgers leicht berieben mit Materialverlust, über der u.li. Ecke mit einem kleinem Löchlein, u.re. an der Spannkante mit kleinem Einriss. Die obere und seitlichen Spannkanten mit Nagellöchlein.
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86,5 x 185,5 cm, Ra. 90,5 x 190 cm.