955 Andrea Campana (zugeschr.), Bedeutender Tabernakelrahmen. Modena / Bologna. 1480-1500.
Andrea Campana Erste Erw. 1446/1455
Holz, geschnitzt, vergoldet und polychrom gefasst. Architektonischer Aufbau in Form einer Ädikula. Stützengliederung anhand zweier Pilaster mit flach geschnitzten korinthischen Kapitellen über einer, durch zwei profilierte Gesimskropfkanten akzentuierten Predella. Oberhalb des profilierten Gebälkgesimses ein Segmentbogengiebel mit symmetrisch angeordnetem, bekrönenden Blattwerkreliefdekor. Unterhalb der Pilasterbasen die Darstellungen des Hl. Franziskus sowie des Hl. Petronius (?), mittig
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ein geschnitztes, schildförmiges Familienwappen (wohl Famiglia Caccianemici dall'Orso). Im Gebälk drei Medaillons mit den christlichen Symbolen des Pelikans (Allegorie für den Kreuzestod Christi), der Taube (Symbol des Heiligen Geistes und des Friedens) sowie des Phönix (Symbol der Auferstehung). Die Lunette mit der Darstellung des Gottvaters mit Weltkugel. In den Füllungen des Sockels, der Pilaster und des Gebälks Groteskenornamente mit den Arma Christi in Rot auf schwarzem Grund. Verso dunkel gefasst und im Sockelbereich in Kerbschnitt bezeichnet "AND CAMPANA P." sowie mit einem handschriftlich beschriebenen Auktionsetikett der Versteigerung des Nachlasses Adolf von Beckeraths im Jahr 1916 bei Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus, Berlin.
Provenienz: Thüringischer Privatbesitz; vormals Sammlung Adolf von Beckerath, versteigert bei Lepke, Berlin, 1916.
Die Entwicklung von Rahmenformen war, in Abhängigkeit von den technischen Möglichkeiten von Material und Werkzeugen, maßgeblich mit der Architektur und dem vorherrschenden Zeitgeschmack verbunden. Im Italien des frühen 15. Jahrhunderts, mit der einhergehenden Rückbesinnung auf die Antike, begann die Herausbildung einer sich autonom vom Gemälde entwickelnden Umrahmung, ausgehend vom Gesamtkunstwerk einer fest mit der Bildtafel verbundenen Einfassung.
Bilderrahmen sollten mit der Architektur eines Raumes, zum Beispiel mit Fenster- oder Türrahmen sowie der Inneneinrichtung korrespondieren und wurden "à la mode" ganz nach den Wünschen des Auftraggebers gefertigt. Die Vielfalt an Rahmenformen und -verzierungen in der italienischen Renaissance war außerordentlich groß, dennoch wählte man stets eine einfach gegliederte Grundkonstruktion, in welcher Elemente aus der Antike und der Gotik Verwendung fanden.
In Bildinhalten wurde wiederkehrend das Sujet Marias mit Kind gewählt, bekrönt von Gottvater im Giebelfeld, die "himmlische Sphäre" versinnbildlichend. Der Rahmen fungierte nunmehr als Verbindungsglied zwischen dem religiösen Bildinhalt zur privaten Andacht sowie der architektonischen Umgebung.
Doch auch ohne Bildtafel bestehen die außergewöhnlichen Renaissancerahmen als eigenständige Kunstwerke, die Aufmerksamkeit auf ihre detailreiche, charakteristische Architektur und Ornamentik lenkend. Durch konstruktive Ergänzungen und Überformungen selbst in den Jahrhunderten nach der Entstehungszeit wird diese Wertigkeit eindrucksvoll nachgewiesen.
Vgl. Lodi R., Montanari A.: Repertorio della Cornice Europea, Modena 2003.
Powell, C., Allen, Z.: Italian Renaissance Frames at the Victoria and Albert Museum, London 2009, S. 32
Newberry, T. et al.: Italian Renaissance Frames - The Metropolitan Museum of Art, 1990, S. 11,12.
Kräftner, J. et al.: Halt und Zierde / das Bild und sein Rahmen. Wien, 2009.
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Vergoldung wohl übergangen, Sockelgesims (Predella) mit minimaler Restaurierung, der Segmentbogen mit einem oberflächlichen Riss. Unterseitig eine Höhlung des Holzes durch Wärmeeinwirkung (einer Kerze). Bekrönung mit Materialverlust, altersbedingte Bestoßungen sowie Oberflächenabrieb. Unterseitig wurmstichig.
Die Lunette wohl überarbeitet (bekrönendes Schnitzwerk und Karnies-Profil ergänzt).
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H. 85,5 cm, B. 47,5 cm, Falz 43,5 x 34,5 cm.