790 Bedeutender früher Bergmann "Waldhornist". Georg Fritzsche (zugeschr.) für Meissen. Um 1725.
Georg Fritzsche 1697 Meißen – 1756 ebenda
Porzellan, glasiert, in Aufglasurschwarz, -rotbraun, -gold, -gelb und -braun sowie lachsfarben teilstaffiert. An einen felsigen, scharfgratigen Sockel gelehnter Bergmann in sächsischer Tracht, in der linken Hand ein Waldhorn zum Mund führend, die rechte Hand in die Seite gestützt. Der schwarze Schachthut mit Meissner Schwertern und gewellter Konturlinie auf der Stirnseite, in Aufglasurgold geritzt. Weiße Jacke mit goldener Knopfleiste, schwarzes Leder mit schwarzer Tscherpertasche, weiße
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Hosen und Strümpfe, hochgeschnallte schwarze Kniebügel sowie schwarze Schuhe. Unterseits mit der Schwertermarke in Unterglasurblau in einer ovalen Vertiefung.
Provenienz: Sammlung Richard Seyffarth, Dresden. Seyffarth, der als renommierter Porzellanrestaurator wesentlich zum Wiederaufbau der Porzellansammlung im Zwinger ab 1945 beitrug, war bereits in der Vorkriegszeit für das Dresdner Schloss und das Haus Wettin tätig.
Die Einzigartigkeit der frühen Meissner Bergmannsfiguren wird in der Forschungsliteratur des 20. Jahrhunderts auf bemerkenswerte Weise dargelegt. In einer 1949 bei Julius Raub (damaliger Direktor des Deutschen Bergbau-Museums in Bochum) erstmals publizierten Fotografie sind vier musizierende Bergleute dokumentiert (Raub 1949, S. 9): ein Bergmann mit Trinkpokal, ein Bergmann mit Fagott, ein Bergmann mit Cello und ein Bergmann mit Waldhorn. Ein Teil der Forschung sowie die Leitung der Porzellanmanufaktur Meissen gingen zu diesem Zeitpunkt davon aus, dass es sich bei der Serie nicht um Meissner Porzellan handelt, da keine Modellformen in der Manufaktur nachweisbar waren. Dagegen erkannten andere Wissenschaftler die Bergmusikanten als sehr frühe Erzeugnisse Meissener Porzellans. Erich Köllmann bezeichnete die Figuren schließlich mit ausführlicher Begründung als mögliche "Inkunabeln der Meißner Manufaktur" (Köllmann 1958, S. 263, Abb. 250). Auch wurden sie von der Porzellanmanufaktur Meissen schlussendlich als authentisch bestätigt. Die Spurensuche beginnt allerdings bereits vor 1922 mit der Präsentation von vier Bergmusikanten aus Porzellan in der Dresdner Porzellansammlung. Diese Figuren gehörten nach Angaben des damaligen Direktors Ernst Zimmermann – neben zwei weiteren, 1920 aktenkundig geführten Bergmusikanten in der Porzellansammlung – ursprünglich nicht zum alten Bestand der Sammlung im Schloss (Arnold 1990, S. 421). Es wird vermutet, dass die Abbildung mit den vier Bergmännern aus dieser Ausstellung stammen könnte (Slotta et al. 1999, S. 207).
Das Thema des Bergbaus fand bereits früh Eingang in die Herstellung von figürlichem Porzellan, da August der Starke (1670–1733) sowohl als Förderer Johann Friedrich Böttgers (1682–1719) als auch des sächsischen Bergbaus galt. Böttger beschäftigte neben Töpfern, Silberschmieden und Zinngießern zahlreiche ehemalige Bergleute in der Manufaktur. Entsprechend stand vorerst der handwerkliche Charakter im Vordergrund. Für figürliche Erzeugnisse trat man mit freien Künstlern in Verbindung, welche zeitweilig für die Manufaktur in Meissen arbeiteten. Erfahrene Bossierer und Former erarbeiteten die beauftragten Figuren meist von Modellen aus Gips oder Holz. Aufwendige Barockplastiken galten als kaum ausführbar, da die Fähigkeiten der Mitarbeiter, besonders in Bezug auf die Nachbearbeitung der Figuren oft nicht ausreichte. Zu Beginn der 1720er Jahre wurde das Verlangen nach einem Manufakturmitarbeiter, welcher freie bildhauerische Arbeiten in Porzellan kunstfertig ausarbeiten konnte, immer dringlicher.
Mit dem Ausbau der Dresdner Residenz Augusts des Starken waren allerdings alle Bildhauer in Dresden gebunden (Walcha 1973, S. 71ff.). Vor dem Eintritt Johann Gottlieb Kirchners (1706–1768) in die Porzellanmanufaktur Meissen zeichnete sich Georg Fritzsche als besonders begabter Former aus. Ab 1710 absolvierte Fritzsche eine Ausbildung als Töpferlehrjunge in der Porzellanmanufaktur Meissen und avancierte bald zum Former. Er besaß vor Kirchner als einziger Mitarbeiter die handwerklichen Fertigkeiten, figürliche Plastiken auch ohne Vorlagen aufzubauen. Dies wird durch einen Archiveintrag im Fertigungsbuch des Weißen Corps belegt, welcher zudem vermerkt, dass Fritzsche zwischen 1723 und 1728 vorwiegend Figuren ausformte sowie Modelle fertigte (Slotta et al. 1999, S. 209). Eine Zuschreibung des Bergmanns mit Waldhorn an Georg Fritzsche erscheint demnach als sehr wahrscheinlich. Möglicherweise handelt es sich aufgrund der Teilstaffierung des hier vorliegenden Exemplars um eine der frühesten Ausformungen von Bergmännern in Meissner Porzellan, da "die Ausdruckskraft des weißen Porzellans im Vordergrund stand und die Kunst der Farbstaffierung noch begrenzt war. Für diese Annahme spricht auch, dass, soweit es aus den vorliegenden Beschreibungen bekannt ist, die Schwertermarke unter dem unglasierten Sockel aufgetragen worden ist, während sie zu dieser Zeit sonst auf die Sockelrückseite gemalt wurde". Weitere, vollständig staffierte und später datierte Ausformungen von musizierenden Bergmännern befinden bzw. befanden sich in namhaften Privatsammlungen (u.a. Slg. Simon Goldblatt) sowie im Indianapolis Museum of Art (vormals Slg. Otto Blohm, zuvor Slg. Feist).
Auffällige Ähnlichkeiten zwischen u.a. dem Bergmann mit Trinkpokal und dem Bergmann mit Waldhorn (u.a. Indianapolis Museum of Art) deuten darauf hin, dass die Ausformungen zum Teil aufeinander aufbauen, Details verändert oder hinzugefügt wurden, wobei der Bergmann mit Trinkpokal als mutmaßlicher Vorläufer des Hornisten gilt. Künstlerische Vorlagen der Bergmusikanten sind wohl im skulpturalen, volkskundlichen Bereich zu verorten. Die Georg Fritzsche zugeschriebenen Bergmusikanten stellen eine spannende Weiterentwicklung der frühesten, verbrieften Meissener Ausformung eines figürlichen Bergmanns als Leuchter ("Bergmanniger") in Böttgersteinzeug dar. Diese Figur ist dem 1638 gestifteten und von Hans Fritzsche ausgeführten Kanzelträger des Freiberger Doms entlehnt, stammt aus der Zeit vor 1719 und befindet sich in der Porzellansammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (Inv.-Nr. P.E.2393). Gleichzeitig sind die etwas unbeholfen wirkenden Bergmusikanten ein einzigartiges Bindeglied zu den formvollendeten Bergmannsfiguren Johann Joachim Kändlers um 1745/1750. Über die Funktion der Figuren wird vermutet, dass sie "…neben Tragant und Zucker als Tischdekoration bei einem Bergwerkfest Verwendung gefunden haben.".
Lit.: Slotta, R.; Lehmann, G.; Pietsch U.: "Bergleute als Kleinskulpturen" in: Ein fein bergmannig Porcelan – Abbilder vom Bergbau in "weißem Gold". Katalog der Ausstellung in der Porzellansammlung im Dresdner Zwinger (28. Februar bis 23. Mai 1999). Bochum 1999, S. 205–210, Abb. S. 208, Zitat S. 208,
S. 206, Nr. 331 (Abb. Leuchter in Gestalt eines Bergmanns).
Pietsch, U.: Triumph der blauen Schwerter. Leipzig 2010, Zitat S. 231.
Arnold, K.-P.: "Bergmannsfiguren aus Meissner Porzellan" in: Bachmann, M., Marx, H. und Wächtler E. (Hrsg.): Der silberne Boden. Kunst und Bergbau in Sachsen. Leipzig 1990, S. 421 ff.
Walcha, O.: Meißner Porzellan – Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Dresden 1973, S. 71ff.
Köllmann, E.: "Bergbau und Porzellan" in: Winkelmann, H. et al.: Der Bergbau in der Kunst. Essen 1958, S. 278, Abb. 250 und S. 262.
Raub, J.: "Porzellan mit Bergbaumotiven aus dem 18.Jh." in: "Der Anschnitt -Mitteilungsblatt der Vereinigung der Freunde von Kunst und Kultur im Bergbau", Jg. 1, Nr. 1, 1949, Abb. S. 9.
Abbildungsnachweis:
Fotografie vier Bergmannsfiguren. Der Bergbau in der Kunst. Essen 1985, S. 278, Abb. 250.
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Stand schauseitig sowie seitlich mit zwei kleineren Chips. Sockelunterseite mit Brandriss, partiell grobkörnig gearbeitet sowie mit Lunkern. Daumen der re. Hand verso mit herstellungsbedingter Einkerbung. Der u. Bogen des Horns zweifach gebrochen und neu angesetzt. Der Mündungsrand des Schallbechers mit eventuell entstehungszeitlicher Nachmodellierung, dort mit kleinen Ausbrüchen, das Mundstück und Mundrohr mit Haarrissen. Die o. Bogenhälfte wohl verloren und nachmodelliert, diese sowie Mundrohr und Mundstück mit neuem Decklack und neuer Vergoldung. Das li. Ohr mit zwei minimalsten Retuschen an oberflächlichen Materialbereibungen (ca. 0,4 x 3 mm). Vereinzelt winzige Brandfleckchen. Aufglasurschwarz teils minimal berieben und mit sehr vereinzelten Kratzspuren, die Vergoldung punktuell minimal berieben.
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H. 14,8 cm.