Hildegard Seemann-Wechler
1903 Dresden – 1940 Pirna-Sonnenstein
Studium an der Staatlichen Akademie für Kunstgewerbe in Dresden. Ab 1921 als eine der ersten Frauen an der Dresdener Kunstakademie, wo sie Schülerin von Richard Müller, Robert Sterl, Ludwig von Hofmann und ab März 1927 von Otto Dix war, davon drei Semester als Einzelschülerin. Individuelle Förderung durch Robert Sterl und Otto Dix. Freundschaft mit Eva Schulze-Knabe und Fritz Schulze. Nach dem Studium in Dresden als freischaffende Künstlerin tätig. 1929 Heirat des Malers Herbert Seemann. 1931 erste Symptome einer schweren psychischen Erkrankung, daraufhin Überweisung in die Landesheil- und Pflegeanstalt Arnsdorf, wo sie achteinhalb Jahre verbrachte. Zwangssterilisation an der Staatlichen Frauenklinik Dresden. 1940 wurde sie, wie auch die Malerinnen Gertrud Fleck und Elfriede Lohse-Wächtler, in der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein im Rahmen der Euthanasie-"Aktion T4" in der Gaskammer ermordet. Von Hildegard Seemann-Wechler sind nur wenige Arbeiten erhalten. 1946 wurde sie auf der "Kunstausstellung Sächsischer Künstler" in Dresden postum geehrt.
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Hildegard Seemann-Wechler, Sitzender Knabe als Akt. Um 1929.
Hildegard Seemann-Wechler 1903 Dresden – 1940 Pirna-Sonnenstein
Aquarell, Deckfarben und Farbstift über Bleistiftzeichnung auf gelblichem, strukturierten Papier. In Blei monogrammiert "WH" innerhalb der Darstellung u.li. Verso in Blei u.re. von fremder Hand künstlerzeichnet.
Zur Datierung sowie zum Motiv vgl. das Gemälde "Knabenbildnis", um 1930 (verschollen), abgebildet in: Boris Böhm: Den Opfern ihren Namen geben. Hildegard Seemann-Welcher (1903–1940). Biographisches Porträt eines sächsischen Opfers der NS-Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein.
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Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Gedenkstätte Pirna Sonnenstein (Hrsg.). Dresden 2018. S. 6.
Eine weitere Arbeit der Künstlerin "Jungenbildnis" wurde ausgestellt in: Kunstausstellung Sächsische Künstler: 28. März – 30. Juni 1946, des Kulturbundes zur demokrat. Erneuerung Deutschlands, im Auftr. der Landesverwaltung des Bundeslandes Sachsen, Sonderschau "Opfer des Faschismus". Dresden, Brühlsche Terrasse, Staatliche Kunstakademie. Dresden, 1946. KatNr. 41
Für eine künstlerische Entfaltung blieb Hildegard Seemann-Wechler nach Abschluss ihres Studiums 1928 bis zum Ausbruch ihre psychischen Krankheit im Sommer 1931 nur wenig Zeit. Sie muss großes Talent besessen haben, Eva Schulze-Knabe, welche seit 1928 an der Dresdner Kunstakademie studierte und mit Hildegard Seemann-Wechler freundschaftlich verbunden war, zeigte sich von einem in der Akademie ausgestellten Selbstakt Seemann-Wechlers sehr beeindruckt. Zu den wenigen, überkommenen Werken der aus bürgerlichen Verhältnissen stammenden Künstlerin, die in tragischer Weise das gleiche Schicksal wie Elfriede Lohse-Wächtler und Gertrud Fleck teilte, zählt das eindringlich-berührende Bildnis des "Sitzenden Knaben als Akt". Der schmale, nahezu schwindsüchtig anmutende Junge mit blassem Inkarnat und übergroßen, verschatteten Augen, betont durch das kurz geschorene Haar, sitzt in einem kargen Raum. Die sparsame Möblierung deutet auf ärmliche Verhältnisse hin. Die zerbrechliche Zartheit des Kindes wird durch die tonig-zurückhaltende, subtile, lasierend aufgetragende Farbigkeit verstärkt. Im Gegensatz zum schonungslos entlarfenden Verismus von Otto Dix zeigt die Künstlerin hier eine Wirklichkeit, die weder beschönigt, noch verzerrt oder karikiert. Damit steht sie stilistisch zahlreichen anderen Vertretern neusachlicher Malerei in Dresden dieser Zeit sehr nahe. Die Erhebung eines (Proletarier-) Kindes zum singulären Bildmotiv im Sinne eines Renaissance-Humanismus (Dalbajewa, Neue Sachlichkeit in Dresden, S. 260) findet man u.a. auch in Gemälden von Rudolf Bergander "Mädchen im blauen Kleid (Schwindsüchtige)", 1931, Wilhelm Lachnit "Mädchenakt (Nacktes Mädchen auf rotem Stuhl), 1924/25, oder Eva Schulze-Knabe "Junge im gelben Pullover", ca. 1931. Lit.: Dalbajewa, Birgit (Hrsg.): Neue Sachlichkeit in Dresden. Dresden, 2011.
Kultur- und Tourismusgesellschaft Pirna mbH (Hrsg.): Eva Schulze-Knabe 1907–1976. Malerei und Grafik. Dresden, 2007.
Boris Böhm: Den Opfern ihren Namen geben. Hildegard Seemann-Welcher (1903–1940). Biographisches Porträt eines sächsischen Opfers der NS-Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein. Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Gedenkstätte Pirna Sonnenstein (Hrsg.). Dresden 2018.
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Technikbedingt leicht wellig. Minimal knickspurig mit wenigen Griffknicken, recto nicht wahrnehmbar. Kleine Bereiche mit oxidiertem Bleiweiß im Bereich der Jacke. Partiell unscheinbare Stockfleckchen im Bereich des Oberkörpers und der Oberschenkel. Der re. Blattrand montierungsbedingt mit unscheinbaren Klebespuren, zwei Bereiche mit Abrieb (max. ca. 1 x 2,8 cm). Verso vereinzelt leichte Stockfleckchen, am äußersten re. Rand leichte Klebespuren einer älteren Montierung.
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