007 Johann Eleazar Zeissig (genannt Schenau), Die Zeit enthüllt die Wahrheit. Wohl 1780er/1790er Jahre.
Johann Eleazar Zeissig (genannt Schenau) 1737 Groß-Schönau (Dresden) – 1806 Dresden
Öl auf Leinwand, doubliert. Signiert "Schenau fec" und schwer lesbar datiert "1766" oder "1796" (letzte Ziffern später übermalt) u.li. In einem monumentalen, goldfarbenen historisierenden Schmuckrahmen des frühen 20. Jh., dieser mit breiter, nach außenhin ansteigender Kehle und Rosettendekor, Außenkante mit zurückgesetztem, schmalem Schraubstab, mit masseverzierten Eckkartuschen, beidseitig mit ornamentalen Blütenzweigen versehen.
Nicht im WVZ Fröhlich-Schauseil.
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Zur allegorischen Motivik von Zeit und Wahrheit bei Schenau vgl. WVZ Fröhlich-Schauseil Z 257a, Z 258 und Z 273.
Provenienz: Nachlass Adolf Sonnenschein (1878–1952, Dozent an der Kunstgewerbeschule Dresden).
"Allegorisches Denken, das Personifizieren von Tugenden, die in deutbaren Konstellationen miteinander agieren, war Schenaus eigentliches Element: In derartigen Kompositionen erweisen sich sein Einfallsreichtum und seine Begabung für immer neue figurenreiche Erfindungen." (WVZ Fröhlich-Schauseil 2018, S.102).
Das vorliegende Gemälde stellt eine Allegorie von Zeit und Wahrheit dar. Die Zeit, Chronos, dargestellt als bärtiger Greis mit Sichel, enthüllt die Wahrheit: ein junges, entblößtes Mädchen, einen Pfirsich in der linken Hand haltend.
In Cesare Ripas "Iconologia" Ed. 1603, 499–501, einem ikonografischen Wörterbuch, welches für die Kunst und Literatur des Barock zu einer unerschöpflichen Quelle geworden ist, nennt der Autor mehrere Alternativen für die Personifikation der Veritas. In Allusion auf ihre Bedeutung als "unverhüllte Wahrheit" wird sie in Gestalt eines schönen nackten Mädchens dargestellt, das nur teilweise von weißen Schleiern bedeckt wird. Die Pfirsichfrucht erläutert Ripa symbolisch als das Herz, während das Blatt am Stiel des Pfirsichs auf die Zunge verweist. Frucht und Blatt symbolisieren somit die sich im aufrichtigen Menschen manifestierende Einheit eines reinen Herzens und eines Wahrheit verkündenden Mundes. Das, was die Zunge sagt, soll dem Herzen und damit der Wahrheit entsprechen.
Die Zeit entdeckt die Wahrheit, macht sie sichtbar, bringt sie ans Licht und lässt sie in ihrer Schönheit erstrahlen: Das Antlitz der jungen Frau erscheint in einer Aureole. Als Tochter der Zeit verdrängt die Wahrheit ihre Widersacher wie Verleumdung, Neid und Zwietracht. So muss auch der finstere Genius malignus weichen, die Allegorie der Täuschung, zu ihren Füßen, dargestellt mit der Schlange zwischen Blumen sowie der Maske.
Die ikonografische Variante der Wahrheit als ein enthülltes Mädchen wurde durch Berninis unvollendete Marmorskulptur, heute in der Galleria Borghese in Rom, berühmt und war besonders im 18. Jh. beliebt. Unter anderem wurde sie auch von Nicolas Poussin und Giovanni Battista Tiepolo rezipiert. Pompeo Batoni wandte das Motiv in seinem zwischen 1737 und 1739 entstandenen Deckengemälde im Palazzo Colonna in Rom an. Dies dürfte wiederum Anton Raphael Mengs als Anregung für seine eher schlicht aufgefasste Personifikation der Veritas als unverhülltes Mädchen mit der Pfirsichfrucht, um 1756, gedient haben. Batonis Darstellung bindet – wie bei Schenaus Gemälde – die Ikonografie ein in das komplexere Thema "Die Enthüllung der Wahrheit durch die Zeit". (WVZ Bowron 7, 88).
Darüber hinaus war das Thema in Dresden dank der Marmorskulptur von Antonio Corradini (1688–1752) aus dem Jahr 1720 weithin bekannt. Sie befindet sich heute im Großen Garten in Dresden und wurde erst vor kurzem restauriert.
Anke Fröhlich-Schauseil: "Schenau (1737–1806). Monografie und Werkverzeichnis der Gemälde, Handzeichnungen und Druckgrafiken von Johann Eleazar Zeißig, gen. Schenau". Petersberg 2018. S. 99ff.
Steffi Roettgen: "Anton Raphael Mengs. 1728–1779". 2 Bde. München 1999/2003.
Edgar Peters Bowron: "Pompeo Batoni. A complete catalogue of his paintings". 2 Bde. London 2016.
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Doublierung und Keilrahmen wohl des frühen 20. Jh., mit einem zusätzlichen Gewebe hinterspannt. Malschicht insges. mit Alterskrakelee sowie je ein diagonales Krakelee an den u. Ecken. Leichte Klimakante re. und li. Im Randbereich rahmungsbedingt etwas berieben und mit mehreren Rissen. Zahlreiche, teils farbfalsche Retuschen auf der Bildfläche verteilt, insbes. an Rissen, diese teils leicht erhaben. Übermalung und Ergänzung der letzten zwei Ziffern der Datierung. Malschicht mit vereinzelter Runzelbildung, wohl maltechnikbedingt. Firnis gegilbt. Mehrere zarte, oberflächliche Kratzer. Schmuckrahmen mit leichten Kratzern und kleinen Fehlstellen der Fassung sowie partiell mit goldfarbenen Retuschen.
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175,6 x 128,5 cm, Ra. 198,6 x 150,7 cm.