556 Ernst Julius Hähnel "Futterneid" (Amor, Bacchus & Ganymed ergötzen sich an dem Streit des Adlers und des Panthers um den Göttertrank). Zwischen 1845 und 1891.
Ernst Julius Hähnel 1811 Dresden – 1891 ebenda
Gips, farbig gefaßt und patiniert. Signiert "Ernst Hähnel, fec." u.re. Verso mittig geritzt betitelt und bezeichnet "M". Verso o.Mi. eine Aufhängevorrichtung aus Metall.
Die vorliegende Arbeit ist ein seltenes und beeindruckendes Zeugnis von Hähnels künstlerischer Meisterschaft. Die Titelgebung steht in einem betonten Kontrast zur Darstellung, die in ihrer Ruhe und Ausgewogenheit als beispielhafter Ausdruck klassizistischer Ideale gelten kann. Gleichzeitig ist das Relief aber auch
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ein Beleg für den reflektierten, bisweilen sogar witzig-ironischen Umgang des Künstlers mit diesen hehren Formidealen.
Der nackte Bacchus, an seinem Thyrsosstab und seinem Kranz aus Weinlaub zu erkennen, lagert auf einem mit einem Löwenfell bedeckten Podest. Anmutig gießt er Nektar in eine am Boden stehende Fußschale. Ihm gegenüber sitzt Ganymed und schaut ihm - etwas skeptisch - zu, ist es doch eigentlich er, der den Adler tränken sollte. Amor hat sich zu den beiden gesellt. Seine weit ausgebreiteten Flügel hinterfangen die Szene und schaffen eine subtile Verbindung zwischen den beiden Bildhälften, deren Grenze im Goldenen Schnitt durch Flasche, Hand und Lyra verläuft. Der ruhige obere Teil der Darstellung wird kontrastiert durch die anekdotenhafte Begebenheit, die sich im unteren Bereich abspielt. Dort hat sich zwischen Adler und Panther ein Streit um den labenden Trunk entfacht: Angriffslustig verteidigt der Adler seinen Besitz, indem er seinen Kontrahenten in den Schwanz beißt, worauf die Raubkatze mit einem erschrockenen Brüllen reagiert.
Hähnel verrät in diesem Relief nicht nur seinen selbstverständlichen Umgang mit dem Figurenrepertoire der Mythologie, sondern auch seine Schulung an den Werken Berthel Thorvaldsens. Der große Däne hatte 1817 mit seiner Darstellung des den Adler tränkenden Ganymed (Kopenhagen, ThorvalsensMuseum, Inv. A44) eine neue, in ihrer Einfachheit bestechende Form für dieses Thema gefunden, auf die Hähnel hier vielleicht sogar direkt Bezug nimmt.
Eine feine bildmäßig ausgeführte Vorzeichnung zu dieser Arbeit entstand bereits 1845 und befindet sich heute im Dresdner Kupferstich-Kabinett (Inv. C-4733). Zwei Jahre nach ihrer Entstehung fand sie Eingang in Hähnels Entwürfe für die Gestaltung eines Frieses für den Dresdner Galerieneubau. Den Auftrag dafür hatten Hähnel und Ernst Rietschel von Gottfried Semper erhalten.
Von den insgesamt über vierzig geplanten Bildfeldern wurden nur drei tatsächlich ausgeführt.
Hähnel erkannte jedoch das Potential der von ihm gefundenen Komposition und setzte sie noch Jahre später als Relief in Bronze um. Das einzig bekannte Exemplar in der Berliner Nationalgalerie (Inv. B II 174) ist größer als die zur Auktion stehenden Gipsversion. Ein weiteres Exemplar in Gips schenkte der Künstler 1890 der Dresdner Skulpturensammlung (Inv. ASN 179, Abg.-ZV 3879a). Aber nicht nur Hähnel selbst war von seiner Komposition überzeugt. So hat seine Zeichnung wahrscheinlich der in dieser Zeit von Dänemark nach Italien reisenden Bildhauerin und Thorvaldsen-Schüler Adelgunde Emilie Vogt als Inspirationsquelle für ein kleines Kupferrelief gedient (vgl. Schmidt Kunstauktionen, Auktion 37, Kat. Nr. 634).
Für freundliche Hinweise möchten wir uns herzlich bei Herrn Stephan Helms von der Nationalgalerie Berlin, bei Frau Astrid Nielsen von der Skulpturensammlung der SKD und bei den Mitarbeitern des hiesigen Kupferstich-Kabinetts bedanken.
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Deutlich krakelierte und angeschmutzte Fassung mit zahlreichen kleinsten Fehlstellen. Ecken bestoßen, Gipsfehlstellen an Bacchus' Haarkranz, Hand und Stab sowie an Ganymeds Kopfbedeckung und an der Schale unterhalb des Adlers.
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28,7 x 43,7 cm.